Julian Assange ist der Gründer von Wikileaks, einer Enthüllungsplattform. Hier werden als geheim eingestufte Dokumente veröffentlicht. Es geht dabei vor allem um Kriegsverbrechen und Korruption.
Collateral Murder
Besonderes viel Aufmerksamkeit erreichte ein Video, das während dem Irakkrieg von Bordcomputern eiens US-Kampfhubschraubers aufgenommen wurde und bei Wikileaks veröffentlicht wurde: Collateral Murder. Darin sieht und hört man, wie die Soldaten im Hubschrauber auf Leute am Boden schießen, von denen sie glauben, dass sie Waffen hätten. Was sie jedoch für Waffen hielten, war in Wahrheit eine Kamera. Man hört, wie sie sich gegenseitig dazu anstiften zu schießen, („light them all up, come on, fire“, „keep shooting, keep shooting“, „oh yeah, look at all those dead bastards“). Später sieht man, wie ein vorbeikommender Bus ebenfalls beschossen wird, auch dabei handelt es sich um Zivilisten.
Quelle: Wikileaks, collateralmurder.com
Vergewaltigungsvorwürfe in Schweden
Als dieses Video und weitere Daokumente veröffentlicht wurden, befand Julian Assange sich in Schweden, wo er eine Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis beantragt hatte. Nur kurze Zeit nach den Veröffentlichungen wurde in Schweden ein Verfahren wegen Vergewaltigung gegen ihn eingeleitet. Einmal habe er ohne Einverständnis kein Kondom benutzt, im zweiten Fall soll er Sex mit einer Schlafenden gehabt haben.
Es gab diesbezüglich einige Diskussionen über die Echtheit der Vorwürfe, da der zeitliche Zusammenhang zwischen den Veröffentlichungen und den Anschuldigungen so eng war. Im Allgemeinen wurden die beiden mutmaßlichen Opfer aber als glaubwürdig eingestuft.
Nach der Einvernahme in Schweden reiste er – mit offizieller Erlaubnis – nach London. Es folgte ein internationalen Haftbefehl, weshalb er sich in London der Polizei stellte und Hausarrest bis zur Anhörung verhängt wurde.
Flucht in die ecuadorianische Botschaft
Weil Assange fürchtete, dass er von Schweden weiter in die USA ausgeliefert werden könnte, wo ihm die Todesstrafe drohen könnte, suchter er auf verschiedenen Wegen Schutz. Weder die Schweiz noch sein Heimatland Australien konnte/wollte ihm diesen Schutz gewähren. Als Großbritannien die Auslieferung bestätigen wollte, flüchtete er in die Ecuadorianische Botschaft in London. Das war 2012, zu dieser Zeit gab es noch keine Anklage durch die USA.
Botschafen sind unverletzlich. Ohne der Zustimmung des Botschafters darf niemand diese betreten. Solange Assange also in der Botschaft bleibt und Ecuador ihm Schutz gewährt, kann ihn die britische Polizei nicht festnehmen und ausliefern. Weil er sich aber mit der Flucht in die Botschaft den Behörden entzogen hat, hat auch Großbritannien ein Verfahren gegen ihn eingeleitet. Damit konnte er die Botschaft nicht mehr verlassen.
Ecuador gewährte Assange diplomatisches Asyl, welches von den Briten aber nicht anerkannt wurde. Grund dafür war, dass damit das diplomatische Asyl rechtsmissbräuchlich verwendet werden würde, weil Assange ja kein Diplomat sei.
Assanges Anwälte (eine davon war Amal Alamuddin, die später George Clooney heiratete) bot mehrmals an, die schwedische Polizei könne ihn in der Botschaft verhören, was schließlich auch geschah.
Assange hat insgesamt sieben Jahre in der ecuadorianischen Botschaft gelebt und anfang 2019 schließlich die ecuadorianische Staatsbürgerschaft erhalten. Danach wendete sich das Blatt.
Festnahme in London
In Ecuador gab es einen Regierungswechsel. Der neue Präsident war sehr um bessere Beziehungen zu den USA bemüht, wo mittlerweile Donald Trump Präsident war. Schließlich wurde Assange im März 2019 die Staatsbürgerschaft und das Asyl entzogen. Damit viel der Schutz der Botschaft weg, die britische Polizei holte ihn aus der Botschaft. Wegen Missachtung des Hausarrests und Nichterscheinen bei Gericht wurde er zu 50 Wochen Haft verurteilt. Seither ist er in einem Hochsicherheitsgefängnis, das wegen seiner extremen Haftbedingungen als das "britische Guantanamo" bezeichnet wird, inhaftiert. Dieses Strafausmaß für dieses vergleichsweise kleine Delikt ist absolut unüblich in Großbritannien.
Anklage und Auslieferung an die USA
Außerdem verlangte die USA sofort nach der Festnahme die Auslieferung, weil sie Assange wegen gemeinschaftlicher Verschwörung angeklagt haben. Es stellte sich heraus, dass das Auslieferungsgesuch schon seit 2017, also seit zwei Jahren vorbereitet und geheim gehalten hat. Auch Schweden nahm das Verfahren wegen Vergewaltigung wieder auf, es wurde aber mittlerweile wieder eingestellt, weil zu viel Zeit vergangen ist.
Viel bedeutender ist aber, dass die USA die Anklage ausweitete und Assange nach dem Spionagegesetz anklagte. Obama hatte in seiner Präsidentschaftszeit eine derartige Anklage ausgeschlossen, Trump jedoch wollte härter gegen Assange vorgehen. Die Anklage umfasste nun 17 Punkte, Assange drohen 175 Jahre Haft.
In den USA gilt das Kumulationsprinzip: Wird ein Täter wegen mehreren Taten verurteilt, werden auch die Strafmaße zusammengerechnet. So kommt man etwa bei vier Morden auf vier mal lebenslängliche Haft.
In Österreich werden bei Haftstrafen die Strafrahmen zusammengerechnet, es wird die höchste Mindeststrafe und die höchste Höchststrafe kombiniert. Wird man beispielsweise wegen eines Deliktes verurteilt, das mit einem bis drei Jahren Haft bedroht ist, und wegen eines Deliktes, welches mit fünf bis zehn Jahren bedroht ist, wird die Strafe für beide Delikte zwischen drei und zehn Jahren liegen.
Verhandlung über die Auslieferung
Die Auslieferung an die USA wurde von einem Gericht in London abgelehnt. Grund dafür waren die zu erwartenden Haftbedingungen und Suizidgefahr. Assanges Gesundheitszustand ist sehr schlecht, eine Auslieferung würde den Menschenrechten widersprechen. Art 3 der EMRK besagt, dass niemand der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe unterworfen werden darf. Ein Antrag auf Freilassung wurde aber ebenfalls abgelehnt.
Die USA haben die Ablehnung angefochten, darum findet gerade das Berufungsverfahren in London statt.
Was ist das eigentliche „Problem“ mit Julian Assange beziehungsweise mit Wikileaks?
Für derartige Enthüllungen spricht das öffentliche Interesse und Transparenz. Alle Handlungen eines Staates, vor allem Kriegshandlungen, sollen transparent sein und aufgeklärt werden können. Ein demokratischer Staat, in dem das Recht vom Volk ausgeht, darf keine Informationen zurückhalten. Außerdem sind Meinungs- und Pressefreiheit in einer Demokratie extrem wichtig. Seit Wikileaks bietet übrigens jede größere Zeitung eine Plattform für anonyme Quellen, womit es nicht nachvollziehbar ist, woher ein Dokument kommt.
Dem gegenüber stehen allerdings nationalen Interessen, und damit die Sicherheit der nationalen Streitkräfte.
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