Bei fast jedem Opfer entstehen entweder körperliche, psychische oder finanzielle Schäden. Laut Opferbefragungen sind bis zu 70 % körperlich oder finanziell geschädigt. Wie groß die Zahl der psychisch Geschädigten ist, ist schwer zu sagen. Da die Daten aus Opferbefragungen stammen, kommt es auf die Selbsteinschätzung der Menschen an und auch auf die Ausprägung. Das können kurzzeitige Folgen wie Panik sein, aber auch Posttraumatische Belastungsstörungen oder erhöhte Kriminalitätsfurcht. Dazu später mehr. Nur ca 10 % der Opfer haben überhaupt keine Schäden.
Finanzielle Schäden
... entstehen hauptsächlich bei Vermögensdelikten (Diebstahl, Einbrüche, Betrug,...) Dazu zählen aber auch Heilungskosten, Verdienstentgang oder Reparaturkosten. Bei der Linzer Opferbefragung kam heraus, dass der finanzielle Schaden bei der Hälfte der Diebstahl-Opfer unter 500 € liegt. Bei knappen 30 % liegt der Schaden über 1000€. Bei Einbrüchen dagegen gibt nur etwa ein Drittel an, einen Schaden von unter 500 € erlitten zu haben, aber fast die Hälfte hat einen Schaden über 1000€.
Nicht einmal die Hälfte aller Opfer bekommt Schadenersatz. Von denen, die entschädigt werden, stammt der größte Teil von Versicherungen nach Einbrüchen zB. Nur ca 10 % erhalten Schadenersatz vom Täter. Dazu kommt noch, dass viele Opfer finden, ihr Schadenersatz reicht nicht aus, etwa bei ideellen Werten.
Körperliche Schäden
Ca 20 % geben an, dass sie nach der Verletzung ärztliche Hilfe brauchten. Ca die Hälfte gibt an, schwer verletzt worden zu sein, allerdings handelt es sich dabei um Selbsteinschätzung, die Zahl ist höchstwahrscheinlich viel geringer.
Schwer verletzt im juristischen Sinn ist jemand, wenn dadurch entweder mehr als 24 Tage beeinträchtigt ist oder die Verletzung an sich schwer ist, zB durch Knochenbrüche oder Stichverletzungen.
Generell werden Männer häufiger am Körper verletzt als Frauen, und das eher durch kriminelle Opferwerdung. Dafür werden Frauen häufiger Opfer von häuslicher Gewalt und haben dort auch ein höheres Verletzungsrisiko.
Psychische Schäden
Psychische Schäden sind sehr unterschiedlich, und hängen von verschiedenen Faktoren ab, zB um welche Tat es sich handelt und von der Persönlichkeit des Opfers. Da spricht man von Coping-Fähigkeiten, also die Fähigkeit, mit Krisensituationen umzugehen.
Kurzfristige Folgen können zB Panik oder Erinnerungsverlust sein.
Einbruchsopfer sind häufig sehr bestürzt, dass jemand in ihre Privats- und Intimsphäre eingedrungen ist und fühlen sich zuhause nicht mehr sicher. Sexuell missbrauchte Kinder haben oft Ängste, Schuld- oder Schamgefühle, werden sozial auffällig, wie etwa durch Probleme in der Schule, Weglaufen von zu Hause, bekommen Schlafstörungen oder ein unangemessenes Sexualverhalten. Hauptsächlich bei Opfern von Gewalt und Sexualstraftaten treten auch Angst, Trauer, Depressionen oder Phobien auf, sowie Panikattacken, Schweißausbrüche, Zittern, Schlafstörungen usw, wobei natürlich nicht bei allen alle Symptome zutreffen.
Auch Langzeitfolgen können sehr unterschiedlich sein. Ein Beispiel sind Posttraumatische Belastungs-störungen, kurz PTBS.
PTBS setzt sich aus Symptomen unterschiedlicher Symptomgruppen zusammen, aus allen drei Gruppen müssen Symptome vorhanden sein. Die instrusiven und die konstriktiven wechseln sich häufig ab, während die Überregungssymptome das Resultat davon sind.
PTBS kann nach außergewöhnlichen Belastungen auftauchen, zB auch nach Unfällen oder Katastrophen, oder eben durch Opferwerdung. Je schwerer das traumatische Erlebnis war, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass es zu PTBS kommt. Bei Gewaltdelikten insgesamt leiden etwa 20 % an PTBS, bei Opfern von Vergewaltigungen liegt diese Zahl bei 50 %.
Abgesehen von PTBS können auch Essstörungen, Alkoholsucht, Depressionen oder auch Suizidgedanken langfristige Folgen sein. Besonders Opfer von Missbrauch als Kind oder Jugendliche können im Erwachsenenalter Folgen wie Essstörungen, multiple Persönlichkeitsstörungen und Selbstverletzung mit sich bringen, bis zum Suizid.
Das bedeutet aber umgekehrt nicht, dass man aus solchen Symptomen bei Erwachsenen auf Missbrauch im Kindesalter schließen kann.
Ein wichtiger Punkt ist auch, wie schwer die Tat vom Opfer empfunden wird. Ältere Menschen fühlen sich stärker beeinträchtigt als jüngere, und je enger die Beziehung zwischen Opfer und Täter war, desto schwerer wird die Tat empfunden.
Kriminalitätsfurcht
Eine weitere Folge von Opferwerdung kann auch die Furcht vor Kriminalität sein. Eigentlich könnte man davon ausgehen, dass Menschen, die Opfer geworden sind, eher Angst davor haben. Tatsächlich ist es nicht ganz so. Bei der Kriminalitätsfurcht kommt es auf mehrere Komponenten an.
1. Wie schätzt jemand das Risiko ein, selbst Opfer in einem gewissen Zeitraum zu werden?
2. Wie sehr fürchtet sich jemand im eigenen Umfeld? Hat jemand ewta Angst, in der Nacht durch sein Wohngebiet zu spazieren?
3. Wie verhält sich jemand aufgrund seiner Ängste? Vermeidet jemand zB bestimmte Orte zu bestimmten Tageszeiten?
Was letzteres betrifft, macht es so gut wie keinen Unterschied, ob jemand Opfer wurde oder nicht. Von den Opfern gaben 25 % an, dass sie sich in ihrer Umgebung bei Dunkelheit nicht sicher fühlen. Aber auch von den Nicht-Opfern sind es 19 %.
Ein anderer Grund für die Entstehung - oder zumindest für die Verstärkung - von Kriminalitätsfurcht kann die Darstellung in den Medien sein. Durch das mediale Ausschlachten von schweren Straftaten könnte man den Eindruck bekommen, dass diese viel weiter verbreitet sind als es tatsächlich der Fall ist.
Gruppen, die eigentlich ein niedrigeres Opferwerdungsrisiko haben, wie Frauen und ältere Menschen, weisen eine höhere Kriminalitätsfurcht auf. Dabei spricht man vom Kriminalitätsfurchtparadoxon. Das liegt einerseits an der Selbsteinschätzung der Verletzlichkeit und der Folgen, aber auch an unterschiedlicher Erziehung. Buben werden so erzogen, dass sie keine Angst haben dürfen, während Mädchen lernen, dass sie Risiken eher vermeiden sollen. Dazu passt auch, dass jüngere Frauen jetzt weniger Furcht haben als ältere Frauen, das liegt unter anderem an einem eher emanzipierten Rollenverständnis und moderneren Erziehungsansätzen.
Tatbegehungsrisiko von Opfern
Werden Opfer eher zu Täter als Nicht-Opfer? Kurze Antwort: ja.
Risikofaktoren sind jedenfalls Gewalt- und Missbrauchserfahrungen von Kindern und Jugendlichen. Grund dafür kann sein, dass durch die erfahrungen in der Kindheit der Glaube an Gerechtigkeit so dermaßen erschüttert wird, dass Opfer lieber zum „Angreifer“ werden um sich selbst zu schützen. Die Gründe dafür sind aber vielfältig, das gilt also nicht pauschal für alle.
Auch daraus kann man umgekehrt aber nicht schließen, dass jeder Straftäter früher misshandelt wurde.
Welche Strafen wünschen sich Opfer für "ihren" Täter?
Ganz allgemein wünschen sich drei Viertel aller Opfer eine Bestrafung. Geld und Freiheitsstrafen spielen dabei keine große Rolle. Fast 70 % wären mit einer Diversion zufrieden. Diversion bedeutet die Einstellung des Verfahrens unter Auflagen, zB Tatausgleich, gemeinnützige Arbeit oder Probezeit. Viele Opfer wünschen sich auch eine Wiedergutmachung, diese ist im Strafprozessrecht so eigentlich nicht vorgesehen. Dafür braucht es eine Kombination aus Straf- und Zivilprozess. Die Geldstrafe im Strafprozess ist an den Staat zu zahlen, das Opfer erhält so keinen Schadenersatz. Schadenersatz gibt’s nur im Zivilrechtsweg.
Die schwersten Strafen wünschen sich Opfer von Einbrüchen und von Sexualdelikten. Sie möchten am häufigsten eine unbedingte Freiheitsstrafe, das hängt mit ihrem erhöhten Wunsch nach Sicherheit zusammen. Unbedingte Freiheitsstrafe bedeutet, dass der Täter sofort ins Gefängnis muss. Eine bedingte Freiheitsstrafe dagegen wird nicht sofort vollzogen. Da wird eine Probezeit bestimmt, diese dauert zwischen einem und drei Jahre, in dieser Zeit darf der Verurteilte nicht noch mal auffällig werden, sonst wird die bedingte zu einer unbedingten Freiheitsstrafe.
Freiheitsstrafen dauern in Österreich übrigens mindestens einen Tag und höchstens 20 Jahre, oder lebenslang. Lebenslang heißt auch lebenslang, allerdings muss es eine Aussicht auf Entlassung geben, da es sonst nicht mit den Grundrechten vereinbar ist. Die Entlassung ist frühestens nach 15 Jahren möglich, aber das wird Thema in einer eigenen Episode werden.
Kommentar schreiben